Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Paroxysmale Symptome – das sind anfallsartige Beschwerden, die kurz (meist wenige Sekunden bis wenige Minuten) andauern, dann wieder verschwinden und oft nach einiger Zeit erneut auftreten. Dazu gehören Schmerzen in bestimmten Körperregionen, Sensibilitätsprobleme (z. B. Ameisenlaufen in Armen und Beinen), Sprechprobleme oder auch Geh- bzw. andere Bewegungsstörungen. Das Uhthoff-Phänomen, also die Verschlimmerung von MS-bedingten Beschwerden bei wärmeren Außentemperaturen, bei Fieber oder beim Schwitzen, zählt ebenfalls zu den paroxysmalen Symptomen.
Paroxysmale Symptome zeigen sich der DMSG zufolge etwa bei 10 bis 20% aller von MS Betroffenen. Sie sind weder die Vorboten eines MS-Schubs noch ein Zeichen dafür, dass sich die MS verschlimmert. Sie werden i. d. R. durch plötzliche, fehlgeleitete Nervensignale ausgelöst, die Folge bereits bestehender Nervenschädigungen sind. Dennoch sollten Betroffene, die zum ersten Mal paroxysmale Symptome bei sich ausmachen, zur Sicherheit den Arzt aufsuchen, um abklären zu lassen, ob es sich tatsächlich um diese anfallsartigen Folgeerscheinungen von Nervenschädigungen und nicht um einen neuerlichen Schub handelt, aber auch, um die Symptome – falls nötig – behandeln zu lassen. Denn wiederkehrende Beschwerden beeinträchtigen häufig das Wohlbefinden, selbst wenn sie kurze Zeit andauern.
Zu den am häufigsten auftretenden, anfallsartigen Symptomen gehören:
Paroxysmale Symptome können wie aus heiterem Himmel auftreten oder durch äußere Einflüsse ausgelöst werden, z. B. wie beim Uhthoff-Phänomen durch höhere Außen- oder Körpertemperaturen, aber auch durch Berührungen, bestimmte Körperbewegungen, Fatigue oder Stress. In manchen Fällen treten sie nur über einen gewissen Zeitraum auf und verschwinden danach von selbst wieder.
Für MS-Betroffene mit paroxysmalen Symptomen hat es sich bewährt, ein sog. Beschwerden-Tagebuch zu führen. Das kann ein kleines Büchlein sein oder einfach eine Liste, die handschriftlich oder am Computer geführt wird. In diese Liste sollten die Betroffenen eintragen, zu welchem Zeitpunkt die Beschwerden auftreten, wie lange sie dauern und wie oft sie wiederkehren. Besonders wichtig ist hinzuzuschreiben, in welcher Situation die Beschwerden vorkommen. Jede Kleinigkeit kann dabei von Bedeutung sein: Ob dem Anfall eine Berührung vorausgegangen ist, ob er beim Lachen oder während einer anderen Gefühlsregung aufgetreten ist, wie das Wetter war, was der Betroffene gerade getan hat, ob es im Vorfeld Stress gab oder sich die Fatigue besonders stark bemerkbar gemacht hat. All diese Punkte sollten notiert werden. Eventuell zeichnet sich bei der Auswertung des Beschwerden-Tagebuchs nach einiger Zeit ein Muster für Situationen ab, in denen die paroxysmalen Symptome gehäuft auftreten.
Stellt sich bei der Durchsicht des Beschwerden-Tagebuchs heraus, dass die anfallsartigen Beschwerden in bestimmten Situationen auftreten, sollte man darüber nachdenken, ob es u. U. die Möglichkeit gibt, diese Situationen zu meiden. Wer z. B. weiß, dass Wärme die Symptome auslöst, kann sich an warmen Tagen rüsten, indem er sich vorwiegend im Schatten oder in klimatisierten Räumen aufhält und Vorkehrungen (z. B. durch das Tragen einer Kühlweste) trifft, um den Körper herunterzukühlen. Ist Stress der Auslöser, kann das Erlernen einer Entspannungsmethode dazu beitragen, Stress und damit auch die paroxysmalen Symptome zu vermindern. Gegen bestimmte Auslöser kann man hingegen nicht oder nur eingeschränkt vorgehen. So ist es beispielsweise kaum möglich, Berührungen völlig zu verhindern oder auf bestimmte Bewegungen komplett zu verzichten. Hinzukommt: In manchen Fällen ist die Suche nach Auslösern für die anfallsartigen Beschwerden vergebens.
Schränken die paroxysmalen Symptome das Leben der Betroffenen ein oder stellen sie eine Gefahr dar, gibt es die Möglichkeit, Medikamente gegen die Beschwerden zu nehmen. Zum Einsatz kommen hierbei i. d. R. Antiepileptika, zu denen die Wirkstoffe Carbamazepin, Gabapentin sowie Lamotrigin gehören. Diese Mittel sorgen dafür, dass die Nerven überschießende Signale nicht länger bzw. vermindert übertragen. Selbstverständlich muss vor der Verordnung geklärt sein, ob es Gegenanzeigen für die Einnahme gibt, ob sie sich mit anderen bei der MS eingesetzten Medikamenten vertragen. Bei der Verordnung von Carbamazepin muss etwa eine Schwangerschaft ausgeschlossen sein, weil der Wirkstoff die Gesundheit des Ungeborenen schädigen kann. Nach einiger Zeit sollten die Medikamente jedoch wieder abgesetzt werden, um festzustellen, ob die Symptome weiter auftreten oder sich gelegt haben.
Quelle: Befund MS 2/2016