Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Darf man mit der Diagnose MS weiterhin Autofahren? Kann man mit der MS den Führerschein machen? Und welche Möglichkeiten gibt es, auch weiterhin mobil zu bleiben, wenn sich der körperliche Zustand durch Schübe verschlechtert?
Die MS nimmt bei jedem Betroffenen einen individuellen Verlauf, d. h., niemand kann voraussagen, wie sich die Krankheit entwickeln, welche körperlichen Probleme sie hervorrufen wird. Das bedeutet auch, dass niemand sagen kann, ob die Fahrtauglichkeit bestehen bleibt. Klar ist mittlerweile, dass eine möglichst rasch nach der Diagnosestellung eingeleitete verlaufsmodifizierende Therapie in den meisten Fällen den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst und das Fortschreiten der Krankheit verzögert – und damit auch die Wahrscheinlichkeit für eine möglichst lang bestehende Fahrtauglichkeit erhöht.
Fahrtauglichkeit oder Fahreignung, diese synonym verwendeten Begriffe sagen aus, dass ein Mensch aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen in der Lage ist, ein Fahrzeug zu führen. Eine Erkrankung oder Behinderung kann die Fahrtauglichkeit einschränken, manchmal sogar aufheben. Unter Fahrtüchtigkeit hingegen versteht der Bundesgerichtshof die geistig-seelische und körperliche Gesamtleistungsfähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke und auch beim Auftreten schwieriger Verkehrslagen sicher zu steuern. Die Fahrtüchtigkeit können z. B. Medikamente oder Alkoholkonsum vorübergehend einschränken – die Fahrtauglichkeit wird dadurch jedoch nicht berührt.
In Deutschland regelt die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) in § 2, Absatz 1 zudem, dass jemand, der im Besitz des Führscheins ist, sich aber infolge körperlicher und geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, nur dann am Verkehr teilnehmen darf, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet. Die FeV besagt auch, dass die Pflicht zur Vorsorge, z. B. auch die Durchführung geeigneter Umbauten an Fahrzeugen, dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen obliegt. Kurz: Es bedeutet, dass jemand i. d. R. selbst dafür verantwortlich ist, ob er sich ans Steuer setzt.
Falls es durch die MS oder durch die Einnahme von Medikamenten zu Einschränkungen der Fahrtauglichkeit oder Fahrtüchtigkeit kommen kann, muss der behandelnde Arzt von MS Betroffene darauf hinweisen. Was der Betroffene dann macht, z. B. die eigene Fahrtauglichkeit durch einen Verkehrsmediziner oder eine darauf spezialisierte staatliche Stelle überprüfen zu lassen, bleibt ihm selbst überlassen. Hat der Arzt bereits die Einschränkung der Fahrtauglichkeit festgestellt, kann es sein, dass im Falle eines Unfalls die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht alle Kosten trägt. Deshalb ist es auf jeden Fall sinnvoll, in einem solchen Fall die eigene Fahrtauglichkeit noch einmal von einem Verkehrsmediziner überprüfen zu lassen – womöglich kommt dieser zu anderen Ergebnissen oder weiß Rat, wie die Fahrtauglichkeit trotzdem aufrechterhalten werden kann.
Zudem gibt es die Möglichkeit, sich auch mit Führerschein in einer Fahrschule anzumelden und ein paar Fahrstunden zu absolvieren, um die Fahrfähigkeit von einer anderen Person testen zu lassen. Fahrlehrer können i. d. R. gut einschätzen, ob Personen trotz etwaiger Einschränkungen weiter in der Lage sind, Auto zu fahren. MS-Patienten, die befürchten, ihre Reaktionsfähigkeit könne abgenommen haben, können diese in einem Fahrsimulator testen und trainieren. Durch regelmäßiges Training lassen sich Reaktionszeiten verbessern.
Mit der MS können verschiedene körperliche Probleme einhergehen, die die Sicherheit im Straßenverkehr beeinträchtigen können. Dazu gehören u. a.:
Manche dieser Einschränkungen können durch Autoumbauten ausgeglichen werden, bei anderen ist das nicht möglich. Beispielsweise sollten von MS Betroffene mit Fatigue sich nur hinters Steuer setzen, wenn sie sich fit genug dafür fühlen. Bei einigen Problemen ist das Fahren hingegen zu gefährlich, z. B. beim Sehen von Doppelbildern. Bildet sich diese Störung nicht zurück, sollten Betroffene aufs Autofahren verzichten.
Manche Medikamente, die aufgrund der MS oder ihrer Symptome verordnet werden, können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, etwa weil sie müde machen. Auch das sollten Menschen mit MS immer im Hinterkopf haben, wenn sie sich ins Auto setzen. Zwar sollten die behandelnden Ärzte oder Apotheker, die das jeweilige Medikament ausgeben, darauf hinweisen, wenn ein Arzneimittel zu Beeinträchtigungen im Straßenverkehr führen kann, doch nicht immer denken sie daran. Deshalb ist sinnvoll, entweder den Arzt gezielt nach Nebenwirkungen zu fragen oder sich den Beipackzettel und vor allem Warnhinweise gut durchzulesen und u. U. aufs Autofahren zu verzichten, solange die Wirkung des Medikaments anhält.
Mit Ihrem Arzt sollten Sie am besten regelmäßig auch über Ihre Fahrtüchtigkeit und -tauglichkeit sprechen, vor allem nach Schüben oder bei neu auftretenden körperlichen oder kognitiven Problemen. Bitten Sie ihn um seine Einschätzung und/oder um die Durchführung von Tests, mit denen die fürs Autofahren notwendigen Fähigkeiten geprüft werden.
Pkw-Umbauten sind immer dann sinnvoll, wenn durch sie die Fahrtüchtigkeit oder Fahrtauglichkeit erhalten werden und von MS Betroffene dadurch mobil bleiben. Bei einer Schwerbehinderung übernimmt u. U. die Agentur für Arbeit, der Rentenversicherungsträger oder aber das Integrationsamt einen Teil oder sogar die gesamten Kosten des Umbaus. Nämlich dann, wenn die Betroffenen auf den Pkw angewiesen sind, um am Arbeitsleben teilzunehmen (§ 33 Sozialgesetzbuch- SGB – IX) oder am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben (SGB IX, Kapitel 7). Allerdings müssen die Umbauten notwendig sein und die Notwendigkeit muss in einem Antrag begründet werden.
Zu den Umbauten, die sinnvoll sein können, gehören u. a. Einsteighilfen wie Trittstufen, Schwenksitze oder Rollstuhlrampen bzw. Rollstuhllifte. Der Einbau von Lenkhilfen ist immer dann angebracht, wenn die Armkraft nicht mehr ausreicht, um das Lenkrad zu bedienen. Meist ist eine Servolenkung vorhanden, daneben gibt es jedoch auch andere Hilfen zum leichteren Lenken, z. B. einen Drehknopf, der am Lenkrad angebracht ist. Falls die Armkraft gering sein sollte, kann auch eine „Joystick-Lenkung“ das Autofahren weiter ermöglichen. Für Menschen mit Lähmungen oder Spastik in den Beinen gibt es z. B. Handbedienungen für Gas und Bremse. Wer im Rollstuhl sitzt, braucht ein Verladesystem für den Rollstuhl, um ihn selbstständig ins Auto zu laden. Die vielen verschiedenen Möglichkeiten des Pkw-Umbaus machen daher eine gute Beratung unerlässlich. Erkundigen Sie sich bei Kfz-Herstellern, Pkw-Umrüstunternehmen und am besten auch bei Menschen mit ähnlichen Problemen, die Sie z. B. in einer Selbsthilfegruppe finden, welcher Pkw-Umbau sich anbietet.
Natürlich kann man auch mit MS einen Führerschein machen, allerdings ist das ein wenig komplizierter als für Menschen ohne MS. In der Fahrschule stellen alle Fahrschüler einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, bei dem sie angeben müssen, ob z. B. eine körperliche Einschränkung vorliegt. Der Antrag wird an die Führerscheinstelle weitergeleitet, die nun darüber entscheidet, ob ein medizinisches Gutachten erforderlich ist. Bei MS ist das i. d. R. der Fall. Wer dieses Gutachten abgibt, entscheidet meistens auch die Führerscheinstelle – i. d. R. ist es nicht der behandelnde Arzt. Führerscheinbewerber mit MS müssen sich zudem meistens verschiedenen Tests unterziehen, die u. a. ihre Reaktionsfähigkeit prüfen und checken, ob das nach bestandener Führerscheinprüfung zu führende Fahrzeug Umbauten benötigt (die vom TÜV zugelassen werden müssen). Falls es in der von Ihnen gewählten Fahrschule kein auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Übungsfahrzeug gibt, kann es sein, dass Sie die Fahrschule wechseln müssen. Fahrstunden und -prüfungen verlaufen wie bei jedem anderen Fahrschüler.
Damit Sie mit ihrem Wagen immer gut und sicher unterwegs sind, ein paar kleine Tipps, die Ihnen das Fahren erleichtern können:
Quelle: Befund MS 1/2015