Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Vogelgezwitscher vor dem Fenster, die ersten zarten Sonnenstrahlen, ein Frühlingsmorgen im April. Ich schlage die Augen auf, aber ich bin nicht wirklich wach. Noch begreife ich nicht, was wirklich los ist, später nach dem Aufstehen – irgendwie gelingt es mir – merke ich, dass sich etwas wie ein Schleier zwischen mich und die Welt geschoben hat. Wie gewohnt schalte ich den Wasserkocher ein, um mir einen grünen Tee aufzubrühen, grüble aber ungewöhnlich lange darüber nach, ob es Ingwer- oder Limonenaroma sein soll, und lasse es schließlich ganz bleiben, die Scheibe Toast bleibt unberührt. Acht Uhr. Der Termin in der Agentur … Ich habe nie ein Meeting verpasst, aber eigentlich ist es doch gar nicht wichtig. Wen interessiert das Budget für das nächste Projekt? Oder ob ich da bin oder nicht?
Ich gehe trotzdem hin, sage aber kein Wort, weil die Diskussionen an mir vorüberrauschen, versuche hier und da zu lächeln, mache gewohnheitsmäßig Notizen, die ich hinterher achtlos auf meinen Schreibtisch lege. Auf dem Nachhauseweg müsste ich einkaufen fürs Essen. Aber kann ich eigentlich gut kochen? Es hat mich schon lange keiner mehr gelobt. Ich bin erschöpft, obwohl ich doch fast gar nichts getan habe, gehe früh zu Bett und wälze mich schlaflos hin und her. Es geht mir durch den Kopf, ob ich krank sein könnte, schwer krank, und es beunruhigt mich.
Am nächsten Morgen beunruhigt es mich nicht mehr: Ich muss schwer krank sein, aber wen kümmert es? Ich wecke pünktlich meine Kinder zur Schule, richte ihnen das Frühstück her und gehe wieder zu Bett. Nach der durchwachten Nacht finde ich endlich Ruhe und schlafe am helllichten Tag. Beim Aufwachen ein schlechtes Gewissen, gäbe es doch so viel zu tun … aber da ist er wieder, dieser Schleier zwischen mir und der Welt, oder ist es inzwischen eine Mauer?
Es ist eine Mauer und heute weiß ich, dass diese Mauer Depression heißt. Meine Ärztin nimmt Blut ab, befragt mich eingehend, verordnet schließlich am nächsten Tag ein Antidepressivum. Es wird aber viele leidvolle Tage dauern, bis es zu wirken beginnt und inzwischen weiß ich auch, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass es wirkt. Meine Ärztin hat mir auch viel Sport verordnet: Ins Fitnessstudio gehen, unter Leute kommen, sich auspowern … nur woher die Kraft für Konditionstraining nehmen, wenn sie schon zum alltäglichen Leben kaum reicht?
Depressionen können aufgrund einer posttraumatischen Belastungssituation entstehen, müssen sie aber nicht. Sie haben auch nichts zu tun, mit dem „Grau-in-grau-Sehen“, mit dem Stimmungstief, das jeden von uns zuweilen überfällt. Natürlich ist auch eine „einfache“ Niedergeschlagenheit nicht zu unterschätzen, Lebensprobleme müssen gelöst werden, damit sie uns nicht nachhaltig niederdrücken und beeinträchtigen, aber hier hilft häufig auch ein Gespräch mit Freunden oder eine Psychotherapie.
Depressionen sind eine Krankheit an sich, eine ernsthafte, manchmal sogar lebensbedrohliche Krankheit – die viel zu oft auch von Ärzten verkannt und unterschätzt wird. Vielleicht auch deswegen, weil die Betroffenen aus Scham nicht offen über ihre Symptome reden, weil sie Minderwertigkeitskomplexe dabei haben oder sich als Einzelfall sehen. Aber weit gefehlt: In 15 weltweiten Erhebungszentren wurden insgesamt 26.422 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Über 10 \\\% aller befragten Patienten litten an einer Depression. Wichtig ist auch zu wissen, dass Depressionen zwar durch eine Krankheit wie MS, einen Todesfall oder eine Trennung ausgelöst werden können, häufig aber auf einer biologischen Fehlfunktion wie einer Stoffwechselstörung im Gehirn beruhen – die Neurotransmitter geraten aus dem Gleichgewicht – oder durch eine körperliche Erkrankung ausgelöst werden können.
Ein guter Arzt – und es ist auf jeden Fall zwingend ärtzliche Hilfe aufzusuchen – wird auf jeden Fall bei seiner Therapie sämtliche individuelle Faktoren berücksichtigen: die persönliche Situation des Betroffenen, seine konkreten Ängste und Belastungen, und die physiologischen Gegebenheiten, die sich aus der körperlichen Untersuchung einschließlich der Laborwerte ergeben. Nur aus dem persönlichen Gespräch und der daraus resultierenden Psychopharmako- und Psychotherapie können befriedigende Behandlungsergebnisse entstehen.
Quelle: BMS 2/11