Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Für Menschen mit MS, die von Bewegungseinschränkungen betroffen sind, ist Barrierefreiheit von großer Bedeutung, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Barrierefreiheit bedeutet z. B., mit einem Rollator oder Rollstuhl Bus oder Bahn fahren und sich im öffentlichen Raum problemlos allein und ohne Hilfe fortbewegen zu können. Da Barrierefreiheit noch nicht überall in der Öffentlichkeit gewährleistet ist, müssen Betroffene oft genau planen, wie sie von einem Ort zum anderen kommen. Häufig ist es deshalb einfacher, einen Umbau des eigenen Kraftfahrzeugs vornehmen zu lassen.
Doch Barrierefreiheit ist nicht nur für die Mobilität wichtig, sondern auch in anderen Alltagssituationen. So kann es für Rollstuhlfahrer z. B. schwierig sein, Müll in Container zu werfen oder die Post aus dem Briefkasten in einem Mehrfamilienhaus zu entnehmen, wenn dieser zu hoch angebracht ist. Auf all diese Dinge müssen Menschen mit Bewegungseinschränkungen etwa bei einem Umzug in eine neue Wohnung achten.
In vielen Städten und Regionen sind mittlerweile sog. Niederflurbusse oder -straßenbahnen in Betrieb, die auch mit Rollstuhl oder Rollator genutzt werden können. Halten die Busse an einem hohen Bordstein, befindet sich der Einstieg u. U. bereits auf der gleichen Ebene wie der Gehsteig, sodass Rollstuhlfahrer direkt in den Bus hineinfahren können. Ist dies nicht der Fall, kann eine Rampe oder ein im öffentlichen Verkehrsmittel eingebauter Lift für den Einstieg ausgefahren werden. Doch nicht immer ist die Benutzung von Bussen oder Straßenbahnen barrierefrei möglich, denn eine ganze Reihe ist noch nicht mit Rampen oder Liften ausgestattet. Deshalb ist es für Rollstuhlfahrer sinnvoll, sich bei der jeweiligen Verkehrsgesellschaft zu erkundigen, ob sie die gewünschte(n) Fahrt(en) problemlos antreten können.
Das Gleiche gilt für Fahrten mit der Bahn. Hier sollten vor allem Rollstuhlfahrer vor Fahrtantritt die Mobilitätszentrale der Bahn kontaktieren, denn nicht auf allen Bahnhöfen ist ein Einstieg in den Zug mit Rollstuhl problemlos möglich. Dann muss u. U. ein anderer Bahnhof oder eine andere Verbindung gewählt werden. Die Mobilitätszentrale organisiert auf Wunsch auch Ein- oder Ausstiegshilfen am Bahnhof. Rollstuhlfahrer, die eine Flugreise unternehmen wollen, müssen rechtzeitig vor Antritt ihres Fluges bei der Fluglinie anrufen, um die Modalitäten der Rollstuhlmitnahme im Flugzeug zu klären und um einen Bordrollstuhl sowie Ein- und Ausstiegshilfen zu bestellen.
Da die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in vielen Fällen umständlich ist, entscheiden sich viele Rollstuhlfahrer und von MS Betroffene mit Bewegungseinschränkungen für einen Umbau des eigenen Kraftfahrzeugs, um auch weiterhin mobil zu bleiben. In vielen Fällen ist es für Menschen mit MS möglich, durch Ein- und Ausstiegshilfen sowie einem Lift, der den Rollstuhl z. B. hinter dem Fahrersitz verstaut, sowie Lenkhilfen und einer manuellen Bedienung von Gas und Bremse weiterhin selbstständig Auto zu fahren. Die Kosten dafür übernimmt auf Antrag im Rahmen der sog. Kraftfahrzeughilfe für Menschen mit Behinderungen die gesetzliche Rentenversicherung, wenn das Auto nötig ist, um den Arbeitsort zu erreichen. Kraftfahrzeughilfe wird nach § 39 und 40 Sozialgesetzbuch VII auch gewährt, wenn der Rollstuhlfahrer auf den Pkw angewiesen ist, um am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben.
Öffentliche Gehwege und Straßen in Deutschland sind i. d. R. nicht vollständig barrierefrei. Nach wie vor gibt es Bordsteine, die zu hoch sind, um sie problemlos mit dem Rollstuhl oder Rollator zu überwinden. In öffentlichen Parks gibt es Wege, die für Rollstuhlfahrer etwa nach Regenfällen nur schwer befahrbar sind, weil die Räder einsinken. Und auch manche Gebäude sind für Rollstuhlfahrer aufgrund von fehlenden Rampen oder Aufzügen nicht zugänglich. Deshalb ist es für Rollstuhlfahrer sinnvoll, ein sog. Rollstuhltraining (angeboten z. B. von den Landesverbänden der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft) mitzumachen. Bei einem solchen Training erfahren Rollstuhlfahrer nicht nur, wie sie den Rollstuhl richtig bedienen, sie lernen auch, Hindernisse mit dem Rollstuhl zu überwinden – vorausgesetzt, sie verfügen über ausreichend Armkraft, um sich selbst im Rollstuhl fortzubewegen. Auch für Menschen im Elektrorollstuhl gibt es Rollstuhltrainings, doch manche Hindernisse können sie allein nicht bewältigen. Sie brauchen dann Unterstützung von einer Begleitperson. Auf Antrag können die Träger der Rehabilitation solche Assistenzleistungen gewähren. Neben Rollstuhltrainings gibt es auch Rollatortrainings, in denen der Umgang mit dem Rollator im Straßenverkehr gezeigt wird.
Planen Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Bewegungseinschränkungen, die einen Gehstock oder Rollator benutzen, einen Ausflug, sollten sie sich zuvor immer erkundigen, ob das Ziel barrierefrei erreichbar ist. Denn nicht alle Museen, Restaurants, Theater, Kinos oder andere Ausflugsziele sind auf Menschen mit Behinderungen eingestellt. Selbst wenn der Zugang zum Gebäude barrierefrei ist, können u. U. die Türen im Innern zu schmal sein, um mit dem Rollstuhl hindurchzufahren. Auch Türschwellen können ein Hindernis darstellen. Besitzt ein Gebäude keinen Fahrstuhl, ist es für Rollstuhlfahrer nicht möglich, in den zweiten, dritten oder vierten Stock zu gelangen. Theater oder Kinos sollten Plätze bereithalten, die mit dem Rollstuhl befahrbar sind. Ob all das gewährleistet ist, sollten Menschen mit körperlichen Einschränkungen zuvor erfragen.
Auch im öffentlichen Leben ist Barrierefreiheit noch längst nicht überall gegeben. So gibt es nach wie vor Geldautomaten, die vom Rollstuhl aus nicht zu bedienen sind. Auch in manchen Einkaufsmärkten können sich Rollstuhlfahrer nur schlecht fortbewegen, da die Gänge zu schmal sind. Die Bedienelemente und Geldeinwurfschlitze an Fahrkarten- oder anderen Automaten oder in Fahrstühlen befinden sich in manchen Fällen in einer Höhe, die Rollstuhlfahrer nicht erreichen. Das Gleiche gilt für Altglas-, Papier- oder Altkleidercontainer. Tresen oder Verkaufstische in Banken sind ebenfalls oft zu hoch, als dass Rollstuhlfahrer problemlos darüber hinwegschauen können. Der Einkauf im Supermarkt ist allein schwer zu bewältigen, weil sich zahlreiche Waren oben in den Regalen befinden.
Bei vielen dieser alltäglichen Verrichtungen benötigen Menschen mit Bewegungseinschränkungen daher Hilfe. Umso wichtiger ist es, die eigene Wohnung so auszustatten, dass Betroffenen ihren Haushalt selbstständig organisieren können. Für den barrierefreien Umbau der Wohnung können Menschen mit Behinderung finanzielle Mittel u. a. bei der Pflegeversicherung, dem Integrationsamt oder den Trägern der Rehabilitation beantragen.
Quelle: Befund MS 3/2017